Zyklustag #1. Sehr starke Regelschmerzen. Habe schon eine Tablette genommen, „Dolormin für Frauen“ – die bringt mir meine Mutter immer aus Deutschland mit. Plus zwei Buscopan.
Gut. Um 10 Uhr war ich beim Friseur. Eine Ukrainerin wäscht und schneidet mir die Haare. Sie ist eine ganz liebe und hübsche Frau. Beim Haare waschen, wo ich da so bequem im Sessel liege und mir das warme Wasser und ihre feinen Hände über den Kopf gleiten, fange ich plötzlich an zu weinen. Weil ich mir vorstelle, wie nah sie diesen sch… Krieg miterlebt.
Ich erzähle ihr unter Tränen, aber mit Fassung, dass ich weinend vor dem Fernseher saß als dieser Krieg ausbrach. Dass ich nicht verstehe, warum Menschen Krieg führen für Macht und Geld – und ich weiss doch nicht was – und dafür über Leichen gehen. Nun, ich wische mir die Tränchen aus dem Gesicht und entschuldige mich sanft.
Wir kommen ins Reden. Sie erzählt mir davon, wie Bomben in ihren Strassen fielen und wie sie Kinder sterben sah. Eben all die Scheiße, die wir in den Nachrichten sehen. Schliesslich sagt sie zusammenfassend: „Aber das ist nicht unser Krieg“.
Trotz Trauer, Frust und grosser Angst, die sie jede Minute hat, spüre ich gleichzeitig ihre Freude, Power und Willenskraft, und auch ihr Frausein – inmitten dieses Friseursalons in einer kleinen, fast provinziellen Gemeinde in der Nähe von Bern.
Sie erzählt mir von anderen Dingen – dies und das – Frauengespräche beim Friseur eben. Wir haben Spass. Wie aus dem Nichts hat sie ein zufriedenes und herzliches Lächeln auf dem Gesicht – während sie sich gekonnt um meine neue Frisur und die kaputten Spitzen meiner im letzten Jahr sehr lang gewordenen Haare kümmert.
Ich beobachte sie durch den Spiegel und hab Freude, ihre Freude zu sehen, die durch unseren Austausch entstanden ist.
Ich lade sie spontan zum Apéro zu uns auf die Terrasse am Freitag ein. Wir haben ein kleines Grillfest mit unseren neuen Nachbarn geplant. Ich hoffe, sie kommt. Ich habe das Gefühl, ich könnte toll mit ihr zusammen tanzen und Spass haben.
Jetzt bin ich zu Hause und eigentlich sollte ich mich an den Schreibtisch setzen und arbeiten. Ich bin selbstständig, bin Geschäftsführerin einer kleinen Firma, arbeite von zu Hause aus und es gibt – wie immer – viel zu tun.
Und shit, mein Körper bremst mich eindeutig aus. Ich bin einfach heute mal wieder viel langsamer unterwegs als an anderen Tagen. Ob ich mich jemals daran gewöhnen werde?
Ich versuche also, mich darauf zu konzentrieren, nicht „zu schnell“ zu sein und nicht zu viel auf einmal zu wollen. Das ist für mich eine ziemlich grosse Herausforderung, denn ich will immer ziemlich viel – viel erreichen, viel machen, viel erleben, eben einfach immer VIEL von ALLEM.
Also: Handbremse, entspannen und wenigstens diesen kleinen Beitrag schreiben
Ich wünsche euch einen liebevollen Tag,
Eure Jerry